Definition: Betriebsvermögensvergleich

Bei einem Betriebsvermögensvergleich (Bestandsvergleich, BVV) stellt der Unternehmer das Betriebsvermögen am Ende des aktuellen Kalenderjahres dem Betriebsvermögen gegenüber, das sich aus dem vorhergehenden Geschäftsjahr ergeben hat. Auf diese Weise wird der Gewinn oder der Verlust für das abgelaufene Geschäftsjahr ermittelt.

Über die Pflicht, einen Bestandsvergleich durchzuführen, entscheidet die Gewinnermittlungsart. Die Durchführung eines BVV wird nur den Unternehmen auferlegt, die buchführungspflichtig sind und eine steuerliche Gewinnermittlung nach bilanzrechtlichen Vorgaben erstellen müssen.

Zur Aufstellung einer Bilanz ist verpflichtet, wer einen Geschäftsbetrieb führt, der in kaufmännischer Weise eingerichtet ist. Hierzu zählen die Land- und Forstwirte und die gewerblich tätigen Unternehmer, die keine Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches sind. Diese Gruppen sind gemäß den §§ 140, 141 Abgabenordnung (AO) zur Durchführung eines Bestandsvergleichs verpflichtet, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

  • In einem Kalenderjahr wurde ein Umsatz von mindestens 600.000 Euro erzielt.
  • Selbstbewirtschaftete land- und forstwirtschaftliche Flächen haben einen Wirtschaftswert, der 25.000 Euro übersteigt.
  • Der Gewinn aus Gewerbebetrieb beträgt mehr als 60.000 Euro im Wirtschaftsjahr.
  • Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft beträgt mehr als 60.000 Euro im Kalenderjahr.

Die Buchführungspflicht trifft die Formkaufleute. Dies sind alle Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG, GmbH&Co KG) und alle Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, UG, Limited). Bei einer GbR entscheidet die Tätigkeit, ob die Gesellschaft eine Bilanz aufstellen muss. Ist sie nicht gewerblich tätig – z.B. eine vermögensverwaltende GbR – kommt die Aufstellung einer Bilanz nicht in Betracht. Betreibt die GbR ein Gewerbe, wird sie zur Buchführung verpflichtet, wenn die Voraussetzungen der §§ 140, 141 AO erfüllt sind.

Einzelunternehmer, die keine Bücher führen und eine Bilanz erstellen, müssen keinen BVV durchführen. Dies ist der Fall, wenn die Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit erzielt wurden.

Die Gewinnermittlungsarten im Steuerrecht

Die steuerlichen Gewinnermittlungsarten sind im Einkommensteuergesetz (EStG) verankert. Hiernach unterscheidet man den Bestandsvergleich nach den § 4 Absatz 1 EStG oder § 5 EStG und die Einnahmenüberschussrechnung nach der Vorschrift des § 4 Absatz 3 EStG.

Steuerliche Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich

Die steuerliche Gewinnermittlung auf Grundlage der § 4 Absatz 1 bzw. § 5 EStG verlangt einen Bestandsvergleich. Dieser basiert auf den Grundsätzen der doppelten Buchführung. Bei Anwendung der doppelten Buchführung muss jeder einzelne Geschäftsvorfall dokumentiert und verbucht werden. Kauft das Unternehmen z.B. Kopierpapier für das Büro bar ein, findet sich der Geschäftsvorfall auf den Konten »Büromaterial« und »Kasse« wieder. Im Aufwandskonto erfolgt die Buchung auf der Sollseite. In der Kasse wird die Habenseite belastet. Wichtig ist, dass auf beiden Konten dieselben Beträge erscheinen.

Eine doppelte Buchführung erstreckt sich auf alle Geschäftsvorfälle, die in einem Geschäftsjahr anfallen. Am Schluss des Geschäftsjahres wird aus dem Zahlenwerk eine Bilanz erstellt. Auf der Aktivseite wird die Verwendung der Mittel dokumentiert. Die Passivseite gibt Auskunft über die Herkunft der Mittel. Zu beachten ist, dass diverse Abschlussbuchungen fehlen. Neben einer Anpassung der Abschreibungsbeträge gehören hierzu die Bildung von Rückstellungen und die Periodenabgrenzung, die bei einer Bilanzerstellung zwingend vorzunehmen ist.

Bei einer Periodenabgrenzung werden die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben dem Geschäftsjahr zugeordnet, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Die Telefonrechnung für den Dezember 2019 wird in der Regel erst im Januar des Folgejahres bezahlt. Wirtschaftlich gehört der Aufwand in das Jahr 2019. Die buchhalterische Erfassung erfolgt über die aktive Rechnungsabgrenzung. Mit den Betriebseinnahmen wird analog verfahren.

Nachdem die Abschlussbuchungen erfasst sind, wird die Bilanz für das aktuelle Geschäftsjahr erstellt. Als Betriebsvermögen ergibt sich der Unterschiedsbetrag zwischen den Vermögenswerten (Aktivseite der Bilanz) und den Schulden (alle Posten der Passivseite mit Ausnahme des Eigenkapitals). Um einen Betriebsvermögensvergleich durchzuführen, wird das Betriebsvermögen des aktuellen Geschäftsjahres dem Betriebsvermögen des Vorjahres gegenübergestellt. Das Ergebnis wird um Entnahmen und Einlagen korrigiert.

Ein Bestandsvergleich wird wie folgt durchgeführt:

Betriebsvermögen am Ende des Geschäftsjahres

– Betriebsvermögen am Ende des vorangegangen Geschäftsjahres

+ Entnahmen

– Einlagen

= Gewinn oder Verlust

Beispiel:

Die Aktivseite des Gewerbetreibenden Müllers weist am Ende des Geschäftsjahres einen Betrag von 80.000 Euro aus. Die Schulden beliefen sich in dem Geschäftsjahr auf 25.000 Euro. Müller hat insgesamt 5.000 Euro für private Zwecke entnommen und 2.500 Euro eingelegt. Für den Vorjahreszeitraum hatte Müller ein Betriebsvermögen von 30.000 Euro ermittelt.

Der Betriebsvermögensvergleich wird wie folgt durchgeführt:

Durch Abzug der Schulden von den Vermögenswerten wird das Betriebsvermögen für das abgelaufene Geschäftsjahr ermittelt:

Betriebsvermögen 2019 = 80.000 Euro – 25.000 Euro = 55.000 Euro

Betriebsvermögen 2019 55.000 Euro

– Betriebsvermögen 2018 -30.000 Euro

+ Entnahmen 5.000 Euro

– Einlagen – 2.500 Euro

= Gewinn 27.500 Euro

Die Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Absatz 3 EStG

Für die Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Absatz 3 EStG ist die doppelte Buchführung keine Voraussetzung. Der Gewinn ermittelt sich durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben.

Die Betriebseinnahmen umfassen alle Umsatzerlöse, die in einem Geschäftsjahr erzielt werden. Zu den Betriebsausgaben rechnen alle Aufwendungen, die der Unternehmer in derselben Zeit aus betrieblichem Anlass getätigt hat.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Beachtung des Zu- und Abflussprinzips nach § 11 EStG. Nach diesem Grundsatz müssen Einnahmen und Ausgaben steuerlich dem Kalenderjahr zugeordnet werden, in dem sie zugeflossen sind bzw. bezahlt wurden. Bei der Einnahmenüberschussrechnung wird demnach auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Zahlung abgestellt. Die wirtschaftliche Zugehörigkeit spielt hier keine Rolle. Eine Ausnahme bilden die regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben. Dies bedeutet, die Miete für den Dezember 2019 gehört steuerlich auch dann in die Gewinnermittlung für das Jahr 2019, wenn sie in den ersten zehn Tagen des neuen Jahres bezahlt wird (§ 11 Absatz 2 Satz 2 EStG). Tätigt der Unternehmer die Überweisung aber erst Ende Januar 2019, stellt die Mietzahlung eine Betriebsausgabe des Geschäftsjahres 2020 dar.

Hat der Unternehmer die Einnahmenüberschussrechnung für das aktuelle Geschäftsjahr erstellt, vergleicht er das Ergebnis mit dem Gewinn des Vorjahres. Ein vollständiger Betriebsvermögensvergleich ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 3 EStG nicht vorgesehen.

Wann müssen Freiberufler und Kleinunternehmer einen Betriebsvermögensvergleich durchführen?

Unternehmer, die ihren Gewinn nach § 18 EStG ermitteln, sind nicht dazu verpflichtet, eine Bilanz zu erstellen. Zu den Freiberuflern zählen z.B. Ärzte, freiberufliche Journalisten, Schriftsteller, Rechtsanwälte und Steuerberater.

Auch ein Kleinunternehmer ermittelt den Gewinn aus seiner betrieblichen Tätigkeit durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben. Unter die Kleinunternehmerregelung fallen alle Unternehmen, deren Gesamtumsatz im vorangehenden Kalenderjahr 22.000 Euro nicht überstiegen hat und im aktuellen Kalenderjahr den Betrag von 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird.

Freiberufler und Kleinunternehmer ermitteln den Gewinn durch Erstellung einer Einnahmenüberschussrechnung. Stellen sie ihre betriebliche Tätigkeit ein, verlangt der deutsche Gesetzgeber, dass eine Schlussbilanz nach den Vorschriften des § 4 Absatz 1 EStG durchgeführt wird.

Bei Erstellung der Schlussbilanz wird das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG außer Kraft gesetzt. Stehen zum Stichtag noch Forderungen aus, müssen diese ebenso in der Schlussbilanz des Kleinunternehmers erfasst werden, wie die noch nicht beglichenen Verbindlichkeiten.

Mit der Schlussbilanz wird der Betriebsaufgabegewinn des Freiberuflers oder des Kleinunternehmers ermittelt.

Zusammenfassung

  • Bei einem Bestandsvergleich wird das Betriebsvermögen des abgelaufenen Geschäftsjahres mit dem Betriebsvermögen des vorhergehenden Jahres verglichen.
  • Wird das Ergebnis um Entnahmen und Einlagen korrigiert, ergibt sich der Gewinn oder Verlust für den aktuellen Zeitraum.
  • Die Pflicht zum Bestandsvergleich trifft Unternehmer, die Bücher führen und eine Bilanz erstellen müssen. Hierzu zählen die Formkaufleute und gewerblich tätige Personen, wenn die Umsatz- und Gewinngrenzen der §§ 140, 141 AO überschritten sind.
  • Führt ein Unternehmer eine freiberufliche Tätigkeit aus, muss er keinen Betriebsvermögensvergleich durchführen.
  • Die steuerliche Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 1 oder § 5 EStG basiert auf den Grundlagen der doppelten Buchführung. Dies bedeutet, dass jeder Geschäftsvorfall auf Konten erfasst wird.
  • Am Ende des Geschäftsjahres erstellt der Unternehmer eine Bilanz. Hierbei muss er die Anpassung der Abschreibung und die Periodenabgrenzung beachten.
  • Periodenabgrenzung bedeutet, dass eine Betriebseinnahme oder eine Betriebsausgabe für steuerliche Zwecke in dem Geschäftsjahr erfasst werden müssen, zu dem sie wirtschaftlich gehört. Es kommt also auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung oder der Verausgabung an.
  • Zur Durchführung des Bestandsvergleichs stellt der Unternehmer das Betriebsvermögen des abgelaufenen Wirtschaftsjahres dem Betriebsvermögen des vorhergehenden Geschäftsjahres gegenüber.
  • Das Ergebnis wird um Entnahmen und Einlagen korrigiert.
  • Bei der Einnahmenüberschussrechnung wird kein Vergleich der Ergebnisse des abgelaufenen Geschäftsjahres und des vorhergehenden Geschäftsjahres durchgeführt.
  • Der Gewinn wird durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben ermittelt. Zu beachten ist das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG.
  • Kleinunternehmer und Freiberufler ermitteln ihren Gewinn nach § 4 Absatz 3 EStG. Stellen sie ihre betriebliche Tätigkeit ein, müssen sie eine Schlussbilanz nach § 4 Absatz 1 EStG erstellen.