Definition: Vollkostenrechnung

Die Vollkostenrechnung (kurz: VKR) ist ein Baustein der Kosten- und Leistungsrechnung. Den anderen Bereich der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung stellt die Teilkostenrechnung dar. Der Unterschied der beiden Kostenrechnungssysteme liegt darin, dass bei der Vollkostenrechnung alle in einem Produktionsprozess eingehenden Kosten berücksichtigt werden. Bei der Teilkostenrechnung spielen nur die variablen Kostenbestandteile eine Rolle.

Ein produzierendes Unternehmen ermittelt mithilfe der Vollkostenrechnung die Selbstkosten, die bei der Herstellung eines Produkts anfallen. Dieser Wert stellt für das Unternehmen eine langfristige Preisuntergrenze dar. Dies bedeutet, dass der Verkaufspreis für das hergestellte Produkt nicht unter den Vollkosten liegen darf. Die Folge wäre ein erwirtschafteter Verlust.

Beispiel 1: Langfristige Preisuntergrenze

Ein Zuliefererbetrieb liefert Bauteile für die Herstellung von Booten und Schiffen. Für ein Bauteil fallen insgesamt Kosten von 990 Euro an. Möchte das Unternehmen keinen Verlust erwirtschaften, muss der Verkaufspreis für das Bauteil mindestens den Herstellungskosten entsprechen. Die langfristige Preisuntergrenze beträgt 990 Euro.

Das Vollkostenrechnung Schema

Die Vollkostenrechnung erfasst alle unternehmerische Kosten, die während eines Produktionsprozesses anfallen.

Zu den Kosten zählen die fixen Kosten, wie z.B. die Miete für eine Produktionshalle oder einen Lagerraum und die Energiekosten für Wasser und Strom. Fixe Kosten kennzeichnen sich dadurch, dass sie unabhängig vom Produktionsergebnis und vom Beschäftigungsstand immer und in derselben Höhe anfallen.

Variable Kosten, wie z.B. Rohstoff- oder Materialkosten, entstehen dem Unternehmen nur, wenn es produziert. Sie fallen nicht regelmäßig in derselben Höhe an.

Fixe Kosten und variable Kosten bilden die Gesamtkosten des Unternehmens. Die Aufgabe der Vollkostenrechnung besteht darin, diese Kosten verursachungsgerecht auf die Stellen zu verteilen, an denen sie entstanden sind.

Ablauf der Vollkostenrechnung

Die Vollkostenrechnung basiert auf den folgenden drei Säulen:

Kostenartenrechnung

Das Unternehmen stellt im Rahmen der Kostenarten fest, welche Kosten bei einem Produktionsprozess angefallen sind. Zu einer besseren Analyse der einzelnen Kosten bildet das Unternehmen für alle Aufwendungen Kostenarten. Auf diese Weise bildet die Kostenartenrechnung das Fundament für die Kostenstellenrechnung und die Kostenträgerrechnung.

Die Kostenartenrechnung unterteilt die unternehmerischen Gesamtkosten in verschiedene Bereiche ein. Dabei achtet der Controller darauf, dass jeder Kostenbetrag einer Kostenart zugewiesen wird. Zur Vorbereitung der Kostenartenrechnung gliedert der Controller die Kosten z.B. in die folgenden Bereiche auf:

  • Personalkosten
  • Materialkosten
  • Verwaltungskosten
  • Raumkosten

Aus der Finanzbuchhaltung erhält der Controller die benötigten Zahlen, die er entsprechend seiner Gliederung übernehmen kann.

Beispiel 2: Aufbau einer Kostenartenrechnung

Ein Controller erhält die Aufgabe, eine Kostenartenrechnung aufzubauen. Entsprechend des Produktionsprozesses gliedert er die Kosten in die folgenden Bereiche:

  • Materialeinkauf
  • Personalkosten Verwaltung
  • Personalkosten Fertigung
  • Raumkosten
  • Energiekosten

Nach Rücksprache mit dem Buchhalter des Unternehmens stellt dieser ihm die Informationen über die angefallenen Kosten bereit. Die Kostenartenrechnung des Controllers hat anschließend das folgende Bild:

  • Materialeinkauf: 5.000 Euro
  • Personalkosten Verwaltung: 12.000 Euro
  • Personalkosten Fertigung: 18.000 Euro
  • Raumkosten 2.500 Euro
  • Energiekosten: 500 Euro

Kostenstellenrechnung

In der Kostenstellenrechnung tritt die Vollkostenrechnung in die nächste Phase. Der Controller, der die Kosten nach diversen Kostenarten eingeteilt hat, weist sie den Kostenstellen zu. Die Verrechnung der Kosten auf die Kostenstellen bezeichnet die Kostenrechnung auch als Kostenumlage. Auch hier ist es das Ziel, dass die Kosten möglichst exakt der Kostenstellen zugeordnet werden, bei der sie entstanden sind. Die Kosten, die einem Kostenträger nicht direkt zugerechnet werden können, sammelt der Controller und ordnet sie später mittels eines Verteilungsschlüssels den einzelnen Kostenträgern zu. Für die Unternehmensleitung erschließt sich mit einem Blick, welcher Kostenträger rentabel arbeit und welcher Kostenträger sich als extrem unwirtschaftlich erweist. Durch Einwirken auf die Produktionspalette können Unternehmensleitung oder Controller die Kostenstruktur des Unternehmens optimieren.

Beispiel 3: Kostenstellenrechnung in einer Tischlerei

Für die Herstellung von Tischen und Stühlen verwenden die Mitarbeiter der Tischlerei u.a. Holz und Leim.

Das Holz ist ein Rohstoff, der in dem jeweiligen Produkt untergeht. Der Aufwand lässt sich jedem Kostenträger separat zuordnen. Für eine bessere Überschaubarkeit bildet der Controller mehrere Kostenstellen, denen er die Kosten für den Rohstoff Holz zuordnen kann. Die Bildung der Kostenstellen hat das folgende Bild:

  • Kostenstelle 1: Tisch
  • KostSt 2: Küchenschrank
  • Kostenstelle 3: Wohnzimmerkommode

Den Leim verwenden die Mitarbeiter für mehrere verschiedene Produkte. Die Kosten lassen sich nicht speziell für ein Produkt zuordnen. Sie stellen Gemeinkosten dar.
Die Zuordnung ist nur mittels eines speziellen Verteilungsschlüssels möglich.

Kostenträgerrechnung

Die Kostenträgerrechnung ermittelt, auf welche Kostenträger (Produkte) die entstandenen Kosten zu verteilen sind. Dafür summiert der Controller aller entstandenen Kosten über einen bestimmten Zeitraum (z.B. ein Monat oder ein Quartal) auf und weist sie den Kostenträgern zu. Letztlich kann er auf diesem weg die Selbstkosten des Kostenträgers ermitteln.

Beispiel 4: Die Kostenträgerrechnung

In einem Fertigungsbetrieb sind die folgenden Kosten angefallen:

  • Materialeinzelkosten (MEK): 1.000 Euro
  • Materialgemeinkosten (MGK): 1.200 Euro
  • Fertigungseinzelkosten (FEK): 2.100 Euro
  • Fertigungsgemeinkosten (FGK): 3.000 Euro

Der Controller ermittelt die Selbstkosten für den Kostenträger wie folgt:

MEK + MGK = 1.000 Euro + 1.200 Euro = 2.200 Euro

FEK + FGK = 2.100 Euro + 3.000 Euro = 5.100 Euro

Selbstkosten = 2.200 Euro + 5.100 Euro = 7.300 Euro

Die Selbstkosten dienen dem Unternehmen als langfristige Preisuntergrenze.

Ziele der Vollkostenrechnung

Die Vollkostenrechnung verfolgt das Ziel, alle Kosten – fixe und variable Kosten – verursachungsgerecht auf die Kostenträger zu verteilen. Als Kostenträger bezeichnet die Kosten- und Leistungsrechnung die Absatzleistungen, denen die Vollkostenrechnung die Kosten zuordnet.

Ein Unternehmen wendet die Vollkostenrechnung an, um die Selbstkosten für ein selbsthergestelltes Produkt zu ermitteln. Auf diese Weise bietet das Kostenrechnungssystem dem Unternehmen Unterstützung bei der Preisfindung.

Vollkostenrechnung Vor- und Nachteile

Wendet ein Unternehmen die Vollkostenrechnung an, ergeben sich die folgenden Vor- und Nachteile:

Die Vorteile der Vollkostenrechnung

Mithilfe der Vollkostenrechnung kann das Unternehmen die Kosten einfach und komfortabel ermitteln. Dies bedeutet eine enorme Zeitersparnis im Gegensatz zu anderen Kostenrechnungssystemen.

Die Vollkostenrechnung bietet dem Unternehmen Ergebnisse an, die die Unternehmensleitung für eine langfristige Produktionsplanung verwenden kann.

Die Nachteile der Vollkostenrechnung

Die Vollkostenrechnung ordnet einem Kostenträger die Kosten zu, ohne Rücksicht auf den Produktionsprozess zu nehmen. Eine verursachungsgerechte Zuordnung ist dabei nicht immer möglich.

Für kurzfristige Entscheidungen ist die Vollkostenrechnung nicht geeignet.

Abgrenzung zur Teilkostenrechnung

Im Gegensatz zur Vollkostenrechnung berücksichtigt die Teilkostenrechnung nur die variablen Kostenbestandteile. Die Teilkostenrechnung kennt insbesondere die beiden folgenden Kostenrechnungssysteme:

Mit Unterstützung der Deckungsbeitragsrechnung ermittelt ein Unternehmen den Deckungsbeitrag. Dies ist der Unterschiedsbetrag zwischen den Erlösen und den variablen Kosten für ein Produkt. Ergibt sich ein positiver Saldo, kann dieser zur Deckung der fixen Kosten verwendet werden. Nach Abzug der Fixkosten ermittelt das Unternehmen den Betriebsgewinn.

Die Grenzplankostenrechnung setzt sich aus der Grenzkostenrechnung und der Plankostenrechnung zusammen. Aufgabe der Grenzplankostenrechnung ist es, Planvorgaben für das Unternehmen so aufzubereiten, dass das Unternehmen Kontrolle über diese Kosten hat und Investitionsentscheidungen tragen kann.

Zusammenfassung

  • Die VKR ist neben der Teilkostenrechnung ein weiterer Bereich der innerbetrieblichen Kosten- und Leistungsrechnung.
  • Bei der Vollkostenrechnung werden alle in einem Produktionsprozess anfallenden Kosten einbezogen. Die Teilkostenrechnung berücksichtigt nur die variablen Kosten.
  • Die Vollkostenrechnung sieht eine verursachungsgerechte Verteilung aller fixen und variablen Kosten vor.
  • Der Ablauf der Vollkostenrechnung richtet sich nach dem Kostenrechnungssystem, das von dem Unternehmen angewendet wird. Hierbei ist stets eine strikte Reihenfolge einzuhalten.
  • Die Kostenartenrechnung geht der Frage nach, welche Kosten überhaupt angefallen sind. Zur besseren Übersicht unterteilt der Controller sämtliche Kosten in Kostenarten.
  • Die Kostenstellenrechnung deckt auf, wo die Kosten angefallen sind. Hierzu bildet der Controller mehrere Kostenstellen, auf die er die Kosten verteilen kann.
  • Die Kostenträgerrechnung klärt, wofür die Kosten angefallen sind. Aus den ermittelten Kosten kann der Controller die Selbstkosten für das hergestellte Produkt ermitteln.
  • Bei Anwendung der Vollkostenrechnung ergeben sich Vor- und Nachteile.
  • Vorteilhaft ist z.B. die einfache Handhabung des Kostenrechnungssystems. Als Nachteil muss hervorgehoben werden, dass die VKR für kurzfristige Entscheidungsfragen keine passenden Lösungen bietet.
  • Von der Vollkostenrechnung grenzt die Kosten- und Leistungsrechnung die Teilkostenrechnung ab. Die Teilkostenrechnung kennt zwei Kostenrechnungssysteme. Dies sind die Deckungsbeitragsrechnung und die Grenzplankostenrechnung.