Definition: Goldene Bilanzregel

Die goldene Bilanzregel (auch Anlagedeckungsgrad) gehört zu den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, die im Rahmen einer Bilanzanalyse eingesetzt werden. Sie besitzt für die Unternehmen eine hohe Relevanz, weil mit der Anwendung dieser Regel der Liquiditätsgrad gemessen wird.

Die goldene Bilanzregel lässt sich nicht aus den Vorschriften des HGB ableiten. Sie ist den horizontalen Finanzierungsregeln zugeordnet, die das Verhältnis der betrieblichen Mittelverwendung (Aktiva) zu der Herkunft der Mittel (Passiva) untersuchen.

Die goldene Bilanzregel knüpft an die Bedingung an, dass langfristiges Vermögen (insbesondere Sachanlagevermögen) auch langfristig finanziert wird. Die Erfüllung der Bedingung kann auf zwei Wegen überprüft werden:

Der Deckungsgrad 1 stellt das bilanzielle Eigenkapital in Relation zum Sachanlagevermögen.

Der Deckungsgrad 2 stellt die Summe aus Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital in Beziehung zum Anlagevermögen.

Bei beiden Ermittlungsmethoden kommt der Fristenkongruenz eine entscheidende Rolle zu.

Bedingung der goldenen Bilanzregel

Mit der goldenen Bilanzregel kann das Unternehmen seine Liquidität überprüfen. Hierzu wird das Verhältnis der Kapitalverwendung zur Mittelherkunft überprüft. Die Bilanzkennzahl verlangt, dass die Finanzierung des Sachanlagevermögens durch Kapital gedeckt wird, das langfristig gebunden ist.

Diese Finanzierungsform entspricht aber nicht der gängigen Praxis. Oft ist es so, dass das Unternehmen einen Kredit aufnimmt. Hierbei muss besonders darauf geachtet werden, dass die Laufzeiten zwischen Kapitalverwendung und Mittelherkunft übereinstimmen. Die goldene Bilanzregel ist erfüllt, wenn der Kredit mindestens bis zum Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Maschine läuft. Würde der Kredit z. B. schon nach vier Jahren abgelöst werden, käme das Unternehmen in den verbleibenden zwei Jahren in einen Liquiditätsengpass.

Arten der goldenen Bilanzregel

Um zu prüfen, ob die goldene Bilanzregel erfüllt ist, werden die folgenden Berechnungsmethoden unterschieden:

  • Berechnung Deckungsgrad 1
  • Berechnung Deckungsgrad 2

Berechnung Deckungsgrad 1

Der Deckungsgrad 1 wird auch Anlagendeckung 1 bezeichnet. Er fordert, dass das langfristige Anlagevermögen durch das Eigenkapital gedeckt wird. Die Formel zur Ermittlung des Deckungsgrads 1 lautet:

Eigenkapital / Anlagevermögen ≥ 1

Zum Eigenkapital werden alle Positionen des Eigenkapitals gerechnet. Da das Eigenkapital einer OHG oder KG anders definiert wird als das einer GmbH oder einer AG, muss differenziert werden, welche Rechtsform das Unternehmen hat.

Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften entspricht das Eigenkapital dem Kapitalkonto des oder der Gesellschafter. Firmiert das Unternehmen als GmbH, werden neben dem Stammkapital und einem Gewinnvortrag auch Einstellungen in die Kapital- oder Gewinnrücklagen als Eigenkapital angesehen.

Zu dem Anlagevermögen des Unternehmens zählen alle Vermögensgegenstände, die dem Unternehmen längerfristig dienen sollen.

Beispiel Berechnung Deckungsgrad 1

Die Speditions-GmbH plant umfangreiche Investitionen in den betrieblichen Fuhrpark. Insgesamt sollen die Investitionen sich auf 120.000 Euro belaufen. Aus der letzten Bilanz ergeben sich die folgenden Informationen:

  • Das Stammkapital beträgt 50.000 Euro und ist voll eingezahlt.
  • Im Vorjahr erzielte die GmbH einen Jahresüberschuss von 80.000 Euro. Dieser wird thesauriert und in voller Höhe vorgetragen.
  • Aus der Gewinnrücklage wurden 5.000 Euro entnommen.

Wirkt sich die Investition auf die Liquidität des Unternehmens aus oder ist die Finanzierung gedeckt?

Das Eigenkapital der GmbH setzt sich aus dem Stammkapital, dem Gewinnvortrag und der Entnahme aus der Gewinnrücklage zusammen. Insgesamt ergibt sich ein Betrag von 125.000 Euro.

Für die Prüfung der goldenen Bilanzregel wird die folgende Berechnung vorgenommen:

125.000 / 120.000 = 1,04

Der Wert liegt über 1. Die Bedingung der goldenen Bilanzregel ist erfüllt. Die Finanzierung der Investition ist gedeckt.

Berechnung Deckungsgrad 2

Die vollständige Finanzierung einer Investition durch eigene Mittel kommt in der Praxis seltener vor. Soll ein Investitionsvorhaben in die Praxis umgesetzt werden, nimmt das Unternehmen häufig einen Kredit auf. Diesem Handeln wird der Deckungsgrad 2 gerecht, der auch als Anlagendeckung 2 oder als silberne Bilanzregel bezeichnet wird.

Für die Ermittlung des Deckungsgrads 2 wird die Summe aus Eigenkapital und kurzfristigem Fremdkapital dem Anlagevermögen gegenüber gestellt. Die Formel lautet:

Eigenkapital + kurzfristiges Fremdkapital / Anlagevermögen ≥ 1

Das Fremdkapital umfasst sämtliche betriebliche Schulden. Neben den Verbindlichkeiten rechnen hierzu auch die Rückstellungen. Die Schulden werden – in Abhängigkeit zur Laufzeit der Rückzahlung – in langfristiges und kurzfristiges Fremdkapital unterteilt.

Als kurzfristig werden alle Schulden bezeichnet, deren Laufzeit unter einem Jahr liegt. Bleibt dem Unternehmen für die Rückzahlung eines Kleinkredits ein halbes Jahr Zeit, handelt es sich um kurzfristiges Fremdkapital. Laufen größere Kredite und Darlehen über mehrere Jahre, werden sie dem langfristigen Fremdkapital des Unternehmens zugeordnet.

Beispiel Berechnung Deckungsgrad 2

In der Bilanz der X-GmbH wird ein Anlagevermögen von 2.000 Euro ausgewiesen. Das Eigenkapital beträgt insgesamt 1.800 Euro. In dem Fremdkapital sind die folgenden Positionen enthalten:

  • Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen: 200 Euro
  • Darlehen (Laufzeit unter einem Jahr): 200 Euro

Warenlieferungen müssen i.d.R. nach 30 Tagen beglichen werden. Das Darlehen ist spätestens in einem Jahr zurückzuzahlen. Beide Bilanzpositionen zählen somit zum kurzfristigen Fremdkapital.

Um den Liquiditätsgrad zu ermitteln, werden die folgenden Berechnungen vorgenommen:

Ermittlung Deckungsgrad 1:

1.800 / 2.000 = 0,9

Ermittlung Deckungsgrad 2:

(1.800 + 200 + 200) / 2.000 = 1,1

Die Bedingung der goldenen Bilanzregel wird bei Anwendung des Deckungsgrads 1 nicht erfüllt. Wird das kurzfristige Fremdkapital einbezogen, ist die Liquidität gesichert

.

Die Fristenkongruenz

Bei der Finanzierung von Vorräten ist es üblich, dass diese kurzfristig finanziert werden. Dem Käufer wird ein Zahlungsziel von 14 Tagen eingeräumt. Dies stellt in der Praxis kein Problem dar.

Wird für die Anschaffung eines Pkws oder einer Maschine ebenfalls ein kurzfristiges Zahlungsziel gewählt, bleibt offen, wie der Vermögensgegenstand über die Laufzeit der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer finanziert wird. Für diesen Fall ist der Anlagedeckungsgrad erfüllt, wenn die Frist für die Kapitalbindung mindestens der Frist für die Kapitalüberlassung entspricht.

Beispiel zur Fristenkongruenz

Ein Unternehmen plant die Anschaffung einer Maschine. Laut AfA-Tabelle ergibt sich für diesen Vermögensgegenstand eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von sechs Jahren. Die Maschine soll zu 100 % fremdfinanziert werden.

Bei der Aufnahme des Kredits muss das Unternehmen darauf achten, dass die Fristenkongruenz gewahrt wird. Es darf nur ein Darlehen aufgenommen werden, dessen Laufzeit sechs Jahre nicht unterschreitet. In diesem Fall ist die Finanzierung gedeckt. Wird dagegen ein Vertrag abgeschlossen, der eine Laufzeit von vier Jahren vorsieht, gerät das Unternehmen nach dem vierten Jahr in einen Liquiditätsengpass.

Abgrenzung zur goldenen Finanzierungsregel

Die goldene Bilanzregel steht neben der goldenen Finanzierungsregel. Sie stellen die horizontalen Finanzierungsregeln dar. Diese fordern, dass zwischen der Kapitalverwendung und der Herkunft der Mittel eine zeitliche Übereinstimmung besteht. Im Gegensatz hierzu steht bei den vertikalen Finanzierungsregeln der Verschuldungsgrad eines Unternehmens im Mittelpunkt der Analyse.

Die goldene Finanzierungsregel geht einen Schritt weiter als die goldene Bilanzregel. Diese Bilanzkennzahl fordert nicht nur eine Übereinstimmung von langfristigem Vermögen und langfristigem Kapital, sondern auch eine Übereinstimmung zwischen kurzfristigem Vermögen und kurzfristigem Kapital. Die Formel hierzu lautet:

(kurzfristiges Vermögen / kurzfristiges Kapital) ≥ 1

Beispiel zur goldenen Finanzierungsregel

Aus der Aktivseite der Bilanz der Y-GmbH ergeben sich die folgenden Werte:

  • Vorräte: 600 Euro
  • Forderungen 400 Euro
  • liquide Mittel 600 Euro

Auf der Passivseite stehen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Der Bilanzwert beträgt 1.000 Euro.

Für die Prüfung der goldenen Finanzierungsregel wird die folgende Rechnung aufgestellt:

(600 + 400 + 600) / 1.000 = 1,6

Der Wert liegt über 1. Die goldene Finanzierungsregel ist erfüllt.

Zusammenfassung

  • Die goldene Bilanzregel ist eine Bilanzkennzahl, die in dem Bilanzrecht eine wichtige Rolle übernimmt. Mit dieser horizontalen Finanzierungsregel lässt sich prüfen, wie liquide ein Unternehmen ist.
  • Überprüft wird das Verhältnis zwischen der Mittelverwendung und der Mittelherkunft.
  • Die goldene Bilanzregel ist erfüllt, wenn langfristiges Vermögen (insbesondere das Sachanlagevermögen) durch die eigenen Mittel des Unternehmens finanziert wird.
  • Mit anderen Worten: Die Bilanzkennzahl fordert, dass langfristiges Vermögen auch langfristig finanziert wird.
  • Es können zwei Arten der Ermittlung unterschieden werden.
  • Bei der Berechnung des Deckungsgrads 1 wird das Eigenkapital in Beziehung zum Anlagevermögen gesetzt.
  • Für die Ermittlung des Deckungsgrads 2 wird die Summe aus Eigenkapital und kurzfristigem Fremdkapital dem Anlagevermögen gegenübergestellt.
  • Der Deckungsgrad 2 ist eine abgemilderter Form der goldenen Bilanzregel. Die Bilanzkennzahl wird deshalb auch als silberne Bilanzregel bezeichnet.
  • Für die Analyse der Bilanzkennzahlen ist eine genaue Definition der einzelnen Faktoren entscheidend.
  • Das Eigenkapital eines Einzelunternehmers oder einer OHG unterscheidet sich von dem Eigenkapital einer GmbH.
  • Zum Anlagevermögen gehören alle Gegenstände, die das Unternehmen längerfristig nutzt.
  • Das kurzfristige Fremdkapital setzt sich aus Verbindlichkeiten zusammen, deren Laufzeit ein Jahr unterschreitet.
  • Für die Messung des Liquiditätsgrads ist die Fristenkongruenz zu beachten. Hiernach darf die Frist für die Kapitalüberlassung nicht geringer sein als die Frist der Kapitalbindung.
  • Neben der goldenen Bilanzregel steht die goldene Finanzierungsregel. Diese fordert, dass kurzfristiges Vermögen kurzfristig finanziert wird.