Um Anlegern, die in Aktien investieren wollen, die Entscheidung, welche Aktie sie erwerben sollen, zu vereinfachen, gibt es zahlreiche Kennzahlen zur Bewertung von Aktien. Die Bewertung von Aktien im Rahmen der Fundamentalanalyse stützt sich auf die Auswertung von betriebswirtschaftlichen Werten aus der Bilanz und der Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Eine wichtige Kennzahl der Fundamentalanalyse ist die Kennzahlen des Verschuldungsgrades.

Definition: Verschuldungsgrad

Der Verschuldungsgrad setzt das Fremdkapital ins Verhältnis zum Fremdkapital. Das Ergebnis wird in einem Prozentsatz wiedergegeben und erlaubt eine Aussage über die Stabilität des Unternehmens und über den finanziellen Spielraum des Unternehmens.

Berechnung des Verschuldungsgrad

Die Berechnung dieser Kennzahl eines Unternehmen geschieht mit der Formel: Verschuldungsgrad = (Fremdkapital / Eigenkapital) * 100. Für die exakte Berechnung dieser Kennzahl ist es erforderlich, zunächst eine Unterteilung zwischen Fremd- und Eigenkapital des Unternehmens vorzunehmen.

Unterscheidung Eigenkapital / Fremdkapital

Um die Kennzahl korrekt berechnen zu können, ist eine Unterteilung des Kapitals in Fremd- und Eigenkapital erforderlich.

Das Eigenkapital ist der Teil des Vermögens eines Unternehmens, der nach dem Abzug von Schulden übrig bleibt. Hierzu zählen zum Beispiel die Einlagen der Gesellschafter oder Gewinnrücklagen.

Unter dem Fremdkapital wird das Kapital verstanden, dass dem Unternehmen von Banken oder anderen Geldgebern für eine zeitlich befristete Nutzung überlassen wird.

Wie hoch darf die Verschuldung sein?

Generell gilt, dass der Grad der Verschuldung geringer als 200 Prozent sein muss. Dass heißt, dass das Fremdkapital höchstens doppelt so hoch wie das Eigenkapital sein darf. Dennoch gibt es auch Ausnahmen, wo Firmen eine deutlich höhere Verschuldung aufweisen und trotzdem als gesund gelten. Speziell bei Banken und Versicherungen findet sich häufig ein enorm hoher Grad der Verschuldung. Die Allianz beispielsweise weist regelmäßig eine Verschuldungsquote von mehr als 1.000 Prozent aus. Der Grund hierin liegt in der Zuordnung des Fremd- und Eigenkapitals. Fremdkapital ist das Kapital, dass anderen Kapitalgebern zusteht und nicht dem Unternehmen selbst.

Ausnahme für Banken und Co.

Genau hierin liegt die hohe Verschuldung von Banken und Versicherungen begründet. Banken und Versicherungen haben als Geschäftsmodell, mit dem Geld von anderen Menschen und Firmen zu arbeiten. Dieses Kapital wird in den Bilanzen ordnungsgemäß als Fremdkapital verbucht und lässt daher den Grad der Verschuldung enorm ansteigen. Die Berechnung der Kennzahl des Verschuldungsgrades ist daher für Firmen ungeeignet, die als Geschäftsmodell mit dem Geld von anderen arbeiten.

Optimale Verschuldung

Wie oben bereits erwähnt, gilt ein Grad der Verschuldung von mehr als 200 Prozent als schlecht, dennoch gibt es Ausnahmen, die eine deutliche höhere Verschuldung aufweisen. Einen optimalen Verschuldungsgrad festzulegen ist fast unmöglich. Als Orientierung sollten die Kapitalkosten gegenüber anderen Finanzierungsalternativen geringer sein als bei anderen Formen der Finanzierung. Hierbei wird von dem sogenannte Leverage-Effekt gesprochen. Liegen die Fremdkapitalzinsen unter den dem internen Zinsfuß, steigt die Eigenkapitalrentabilität mit steigender Fremdkapitalquote. Ist dies gegeben, wird ein optimaler Verschuldungsgrad angenommen. Ist diese Regel nicht erfüllt, liegt ein suboptimaler Verschuldungsgrad vor. Wird die 200-Prozent-Regel zu Grunde gelegt, bedeutet dies, das die Fremdkapitalquote höchstens 67 Prozent betragen darf und die Eigenkapitalquote mindestens 33 Prozent. Die Fremdkapitalquote ist eine alternative Kennzahl zum Grad der Verschuldung. Im Gegensatz zum Grad der Verschuldung setzt die Fremdkapitalquote das Fremdkapital ins Verhältnis zur Bilanzsumme und nicht zum Eigenkapital. Das Gegenstück zur Fremdkapitalquote ist die Eigenkapitalquote. Beide Kennzahlen zusammengerechnet ergeben immer 100 Prozent.

Negativer Verschuldungsgrad

Ein negativer Verschuldungsgrad kann durch die Berechnung in Form der Division von Fremdkapital durch Eigenkapital nur dann entstehen, wenn das Eigenkapital des Unternehmens negativ ist. Negatives Eigenkapital ist ein Indiz für eine Überschuldung des Unternehmens und führt, wenn es nicht kurzfristig ausgeglichen werden kann, zu einer Insolvenz des Unternehmens.

Die Verschuldung bei einer Kreditvergabe

Neben der Beurteilung von Aktien spielt diese Kennzahl eine große Rolle bei der Kreditvergabe von Banken. Im Falle einer Finanzierung durch eine Bank werden die Banken zur Festlegung des Zinssatzes oder einer allgemeinen Zusage der Finanzierung das Kreditrisiko festlegen. Für die Festlegung des Kreditrisikos ist es erforderlich, den Verschuldungsgrad zu bestimmten und die Eigenkapitalquote festzulegen. Wie bereits erwähnt, sollte die Eigenkapitalquote mindestens bei 33 Prozent liegen. Auch Ratingagenturen bedienen sich zu Beurteilung der Bonität eines Unternehmens dem Grad der Verschuldung bzw. der Fremdkapitalquote. In der Regel wird davon ausgegangen, dass ein hoher Grad der Verschuldung für eine schlechte Bonität spricht. Ein hoher Grad der Verschuldung stellt ein erhöhtes Risiko der Insolvenz dar. Im Umkehrschluss lässt eine niedrige Verschuldung auf eine gute Bonität hoffen.

Fremdkapital stellt eine Belastung für das Unternehmen dar

Eine hohe Verschuldung bedeutet auch, dass das Unternehmen Tilgung und Zinsen für das Kapital erbringen muss. Es muss daher immer in der Lage sein, diese Kreditleistung durch finanzielle Mittel zu erbringen. Fremdkapital steht dem Unternehmen meistens nur befristet zur Verfügung und muss zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgezahlt werden. Oft werden Insolvenzen auch dadurch ausgelöst, dass ein auslaufendes Darlehen eines Unternehmens aufgrund schlechterer Geschäftsentwicklung nicht mehr verlängert werden kann. Für Aktionäre bedeutet eine hohe Fremdkapitalquote, dass die Wahrscheinlichkeit für ausbleibende Dividendenzahlungen und damit auch sinkender Aktienkurse erhöht ist.

Die Vorteile eines hohen Verschuldungsgrads

Speziell bei Aktiengesellschaften (AG) kann ein hoher Grad der Verschuldung Vorteile mit sich bringen. Ein hoher Verschuldungsgrad stellt sich, dass das Management des Unternehmens verantwortungsvoll mit dem Kapital (der Gläubiger, also der Aktionäre) handelt. Über eine eine Fremdkapitalquote kann bei Aktiengesellschaften kontrolliert werden, wie die Unternehmen investieren.

Geringes Fremdkapital = gute Kreditkonditionen?

Kleine, familiengeführte Unternehmen setzen sich in der Regel dafür ein, die Fremdkapitalquote so gering wie möglich zu halten. Solche Unternehmen profitieren dabei von besseren Konditionen der Banken im Falle einer Fremdfinanzierung und von einer besseren Absicherung gegen die Insolvenz. Auch können Investitionen, wenn möglich, ohne Fremdkapital durchgeführt werden und sind damit in der Regel deutlich eher abgeschlossen als mit Fremdkapitalanteil.

Investitionen mit Fremdkapital

Dennoch kann es sinnvoll sein, auch für kleine Unternehmen den Grad der Verschuldung zu erhöhen. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn das Unternehmen Investitionen tätigen muss, um einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu erhalten. Solche Investitionen mit Fremdkapital sind dann sinnvoll, wenn durch die Investition der Gewinn und die Rentabilität des Unternehmens steigt.

Reduzierung der Verschuldung

Ein hoher Grad der Verschuldung kann durch schnelle Schuldentilgung bei Banken und Gläubigern reduziert werden. Ebenso ist es möglich, das Eigenkapital durch Gewinnrücklagen zu erhöhen. Durch ein höheres Eigenkapital sinkt der Grad der Verschuldung. Eine weitere Möglichkeit stellt das sogenannte Factoring dar. Hierbei werden Forderungen von Unternehmen an andere Unternehmen verkauft, die sich um Begleichung der Forderung bemühen. Das verkaufende Unternehmen erhält so schnell seine Forderung und entgeht einem Ausfallrisiko.

Der dynamische Verschuldungsgrad

Neben dem klassischen Verschuldungsgrad gibt es weiterhin den sogenannten dynamischen Verschuldungsgrad. Hierbei wird nicht das Fremdkapital mit dem Eigenkapital ins Verhältnis gesetzt, sondern das Fremdkapital ins Verhältnis zum Cashflow des Unternehmens. Der dynamische Verschuldungsgrad gibt damit an, wie lange das Unternehmen benötigen würde, seine Schulden zurückzahlen, wenn der gesamte erwirtschaftete Cashflow zur Tilgung der Schulden verwendet werden sollte.

Unter dem Cashflow wird ein Wert verstanden, der durch Saldierung aller Einzahlungen und Auszahlungen eines Unternehmens innerhalb eines bestimmten Zeitraumes entsteht.

Als vertretbar gilt ein dynamischer Verschuldungsgrad dann, wenn die Tilgung der Schulden innerhalb von drei Jahren erfolgen kann.

Berechnung der dynamischen Verschuldung

Die Berechnung des dynamischen Verschuldungsgrades erfolgt mit der Formel: Fremdkapital / Cashflow.

Als Beispiel: Ein Unternehmen hat Verbindlichkeiten in Höhe von zehn Millionen Euro und erwirtschaftet einen jährlich Cashflow von zwei Millionen Euro. Der dynamische Verschuldungsgrad liegt damit bei 5, dass heißt, dass Unternehmen würde bei gleichbleibenden Cashflow und der vollständigen Einsetzung zur Tilgung der Verbindlichkeiten fünf Jahre benötigen, um seine Schulden zu tilgen.

Verschuldung bei Staaten und Kommunen

Während bei Unternehmen eine Verschuldung von bis zu 200 Prozent des Eigenkapitals als optimal angesehen werden kann, gibt es für Staaten andere Regelungen. In der Europäischen Union haben sich alle Staaten dazu verpflichtet, ihre Verschuldung auf höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu beschränken. Bei Staaten wird diese Kennzahl Staatsschuldenquote genannt und berechnet sich indem die Schulden dem Bruttoinlandsprodukt gegenüber gestellt werden.

Für Kommunen gelten noch andere Regelungen. Hierbei wird nicht mehr von einem Grad der Verschuldung gesprochen, sondern vielmehr geprüft, ob die Verschuldung noch tragbar ist. In der Regel wird von einer solchen Verschuldung ausgegangen, wenn die gesamten Schulden nicht höher sind, als die Einzahlungen in einem Jahr betragen.

Generell können jedoch weder Staaten noch Kommunen in eine Insolvenz geraten.

Zusammenfassung

  • Der Verschuldungsgrad ist eine Kennzahl der Fundamentalanalyse zur Bewertung von Unternehmen
    Der Grad der Verschuldung gibt an, wie hoch das Fremdkapital im Verhältnis zum Eigenkapital ist
  • Als optimal gilt ein Verhältnis bis zu 2:1 für Fremdkapital zu Eigenkapital
    Ausnahmen gelten für Banken, Versicherungen und andere Firmen, die mit dem Geld von anderen arbeiten. Hier eignet sich die Kennzahl nicht zur Bewertung des Unternehmens
    Die Berechnung erfolgt (Fremdkapital / Eigenkapital) * 100
  • Eine hohe Verschuldung birgt ein höheres Insolvenzrisiko und eine schlechtere Bonität
    Für Aktiengesellschaften ist durch hohes Fremdkapital eine bessere Kontrolle möglich
  • Eine Verringerung des Grades der Verschuldung kann durch Rückzahlung von Schulden oder Erhöhung von Eigenkapital erfolgen
  • Der dynamische Verschuldungsgrad gibt an, wie lange ein Unternehmen benötigt, um alle Schulden zurückzuzahlen
  • Bei Staaten: Eine Staatsschuldenquote in Höhe von bis zu 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukt ist zulässig