Inhalt von Börsengang
Definition: Börsengang
Bei einem Börsengang tritt ein Unternehmen zum ersten Mal auf einem freien Kapitalmarkt auf. Das Unternehmen gibt eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren aus und legt den Preis fest, zu dem die Aktionäre die Aktien erwerben können.
Für den Gang an die Börse wird vorausgesetzt, dass es sich um ein börsennotiertes Unternehmen handelt. Börsennotierte Unternehmen kommen nach den privatrechtlichen Vorschriften zustande und geben ihre Unternehmensanteile in Aktien oder anderen Wertpapieren aus. Diese Voraussetzungen werden von einer Aktiengesellschaft, der Europäischen Gesellschaft (SE) oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien erfüllt. Eine GmbH kann z.B. nicht an die Börse gehen, weil die Gesellschaftsanteile in GmbH-Anteilen und nicht in Aktienanteilen bestehen.
Hauptsächlich planen Aktiengesellschaften den Gang an die Börse, um ihr gezeichnetes Kapital zu stärken. Durch die Finanzierung von außen hoffen die Unternehmenslenker auf ein besseres Wachstum. Außerdem soll die Liquidität des Unternehmens unterstützt werden, um auch kurzfristig erforderliche Investitionen tätigen zu können. Ein weiterer Grund ist die Verbesserung der Bilanzstruktur. Durch die Aktienverkäufe steigt die Eigenkapitalquote. Dies bedeutet, dass das Unternehmen wirtschaftlich besser gestellt ist und so für neue Kapitalgeber attraktiv wird.
Um die Eigenfinanzierung zu stärken, muss eine Aktiengesellschaft nicht zwingend an die Börse gehen. Steht nicht die Finanzierung durch eine breite Anlegerschaft im Vordergrund kann die Aktienausgabe auch in einem kleineren Kreis erfolgen. Bei diesen Aktiengesellschaften handelt es sich meist um Familienunternehmen.
Nicht jedes kapitalorientierte Unternehmen ist an einem Going Public (dies ist der erstmalige Börsengang eines Unternehmens) interessiert, Den Inhabern steht noch eine weitere Finanzierungsmöglichkeit offen. Im Rahmen der Beteiligungsfinanzierung werden Gesellschafter in das Unternehmen aufgenommen, die das Eigenkapital mit zusätzlichen Mitteln unterstützen. Das Unternehmen profitiert von dem Vorteil. Es erlaubt der Unternehmensführung auch kurzfristig, erforderliche Investitionen zu tätigen.
Der Ablauf eines Börsengangs
IPO steht für Initial Public Offering. Dies bedeutet, dass ein Unternehmen zum ersten Mal seine Aktien auf dem Kapitalmarkt anbietet. Beschäftigt sich ein Betriebsinhaber mit dem Vorhaben, sein Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, ist die beste Voraussetzung für ein gutes Gelingen eine optimale Vorbereitung. Je nachdem, wie diese Vorbereitung organisiert wird, dauert es bis zum ersten Emissionstag zwölf bis achtzehn Monate.
Der Gang an die Börse kann in folgende Phasen unterteilt werden:
Analyse zur Börsenreife
Firmiert das Unternehmen noch nicht in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, muss das Unternehmen umgewandelt werden. Die Umwandlung wird nach handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Gesichtspunkten durchgeführt. Für die Umwandlung in eine AG muss außerdem geprüft werden, ob das Unternehmen genügend Börsenreife besitzt. Diese Aufgabe übernimmt in der Regel ein externer Bankberater oder ein externer IPO-Berater. Die Analyse zur Börsenreife umfasst u.a. die folgenden Maßnahmen:
- Aufstellung aller Unternehmensdaten und Analyse aller wichtigen Kennzahlen; z.B. die Eigenkapitalquote
- Umfangreiche Prüfungen zur Branche und zur Produktpalette des Unternehmens
- Bewertung und Trends des Kapitalmarkts, für den das Unternehmen infrage kommt
- Unternehmensbewertung
- Prüfung der Stärken und Schwächen, die das Unternehmen hat
Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft
Kann ein externer Berater dem Unternehmen bestätigen, dass es über die erforderliche Börsenreife verfügt, folgt in dem nächsten Schritt die Umwandlung der Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft. Hierbei müssen die handelsrechtlichen Vorschriften des Umwandlungsrechts und die steuerrechtlichen Bestimmungen des Umwandlungssteuerrechts beachtet werden. Ein unabdingbares Erfordernis für die AG ist es, dass sie mit einem Grundkapital von 50.000 EUR ausgestattet wird. Außerdem muss für die neue Gesellschaft ein Vorstand gewählt werden.
Eine weitere Rolle spielt die Rechtsform, in der das Unternehmen vor der Umwandlung firmiert hat. Bestand vor dem Entschluss, ein börsennotiertes Unternehmen zu werden, eine GmbH, muss für die Umwandlung das Folgende getan werden:
- Erstellung eines Umwandlungsberichts
- Beschlussfassung über die Umwandlung
- Erstellung des Gründungsberichts
- Prüfung der Gründung
- Eintragung des Unternehmens als AG im Handelsregister
Die Due Diligence Prüfung
Mit diesem Schritt wird die eigentliche Vorbereitung des Börsengangs eingeleitet. Sie beginnt mit der Suche nach den Banken, die den Gang des Unternehmens an die Börse begleiten sollen. Außerdem muss sich das Unternehmen einer Due Diligence Prüfung unterziehen. Im Rahmen der Due Diligence Prüfung werden Rechte, Forderungen, Verbindlichkeiten und Risiken der Aktiengesellschaft von einem Wirtschaftsprüfer genaustens analysiert. Bescheinigt der Prüfer dem Unternehmen eine Voraussetzung, um an der Börse bestehen zu können, kann die Aktiengesellschaft die Zulassung zur Börse beantragen. Nach Erteilung der Zulassung können die Verantwortlichen in der Aktiengesellschaft ein Marketingkonzept entwickeln, das die Aufmerksamkeit am Aktienmarkt weckt und die Aktionäre für ihr Unternehmen interessant macht.
Roadshow und Ausgabekurs
Das Werben um die neue Aktiengesellschaft wird in Fachkreisen als Roadshow bezeichnet. Neben Präsentationen und Pressekonferenzen werden viele Interviews geführt. Die Verantwortlichen und die begleitenden Banken sind außerdem mit dem Bookbuilding beschäftigt. Ziel des Bookbuildings ist es, den Ausgabekurs der Aktie zu finden. Dieser ist abhängig von einer bestimmten Preisspanne und den Geboten, die in der Zeit abgegeben werden. Ist das Bookbuilding abgeschlossen, steht der Stückpreis für eine Aktie fest. An der Börse wird diese Größe als Emissionspreis bezeichnet.
Wertpapierzeichnung und Wertpapierzuteilung
Die Zeit nach Verkündung des Emissionspreises wird als Zeichnungsfrist bezeichnet. Die Aktien werden auf dem Börsenplatz zur Zeichnung unter Angabe eine Wertpapierkennnummer angeboten. Die Aktionäre verpflichten sich zur Abnahme einer bestimmten Menge und legen fest, welchen Höchstpreis sie dafür zahlen möchten. Interessant ist für die neuen Anteilseigner vor allem die Dividende, die sie mit ihrem Aktienpaket erzielen können.
In der Zeichnungsfrist kann es schnell zu einer Überzeichnung kommen. In diesem Fall ist die Anzahl der interessierten Aktionäre größer als die ausgegebenen Wertpapiere. Die begleitenden Banken müssen entscheiden, ob noch weitere Aktienanteile angeboten werden. Zudem wird mittels einer Zuteilung die Zuteilungsquote der einzelnen Interessenten festgelegt. Die Zuteilung der Aktien ist mit einer Gebühr verbunden, die der Bundesgerichtshof im Jahr 2003 für verfassungsgemäß erklärte.
Nach dem Börsengang
Nach dem erfolgreichen Börsengang folgt die Aktienkurspflege. Zudem profitiert eine Aktiengesellschaft davon, dass die Kurse an den ersten Börsentagen häufig über dem ausgegebenen Aktienkurs liegen.
Vorstand und Geschäftsführung der Aktiengesellschaft müssen von nun an alles dafür tun, dass der Aktienkurs sich stets auf einem hohen Niveau bewegt. Die Verantwortlichen sollten insbesondere beachten, dass der Börsenmarkt sehr nervös ist und auf jede Nachricht umgehend reagiert. Dringt z.B. ein Gerücht über einen Umsatzeinbruch des Unternehmens an die Öffentlichkeit, kann es sein, dass sich auch der Aktienkurs in einem Bereich bewegt, der weit unter dem Emissionswert liegt.
Die Vor- und Nachteile eines Börsengangs
Ein Börsengang ist mit den folgenden Vor- und Nachteilen verbunden:
Wenn das Unternehmen Anteile auf die Aktionäre überträgt, steht der Gesellschaft zusätzliches Kapital zur Verfügung. Das Unternehmen wird liquider. Notwendige Investitionsentscheidungen können leichter gefällt werden. Das Unternehmen steht für weitere Geldgeber besser dar, da aus der Bilanz eine höhere Eigenkapitalquote ermittelt werden kann.
Durch den Verkauf von Unternehmensanteile in Form von Aktien bleibt die Eigenständigkeit der Firma erhalten. Hierdurch werden Arbeitsplätze gesichert.
Durch den Gang an die Börse erlangt das Unternehmen einen weiten Bekanntheitsgrad. Hierdurch wird das Unternehmen auch als Arbeitgeber attraktiv.
Als nachteilig erweist sich der Börsengang für den Vorstand, weil sein Handlungsspielraum eingeschränkt wird. Grundlegende Entscheidungen müssen auf der Hauptversammlung vorgestellt werden. Die Aktionäre entscheiden per Mehrheitsbeschluss über die Durchführung von geplanten Maßnahmen. Eine AG kann diesem Nachteil entgegenwirken, wenn es Vorzugsaktien ausgibt, die ohne ein Stimmrecht ausgestattet sind. Der Vorzug des Aktionärs liegt darin, dass er bei einer Gewinnausschüttung von einer höheren Dividende profitiert.
Eine Aktiengesellschaft muss umfangreiche Bilanzierungs- und Buchführungspflichten erfüllen. Neben den Vorschriften des Handelsrechts und des Aktienrechts müssen auch die Vorgaben des Steuerrechts und des Bilanzrechts beachtet werden.
Für Aktionäre besteht in der Mindesthaltepflicht ein Nachteil. Der Verkauf ihrer Anteile ist häufig erst nach einer Frist von sechs bis zwölf Monaten möglich. Zudem müssen die Anteilseigner beachten, dass sie einen Verkaufserlös versteuern müssen, wenn die Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen ist.
Weitere Nachteile sind die hohen Gründungskosten und die Gefahr, dass ein Aktionär zum Großaktionär wird, weil er viele Aktienanteile erworben hat. Ein Großaktionär kann die Entscheidungen des Vorstands auf der Hauptversammlung nachhaltig blockieren.
Drei erwähnenswerte Börsengänge (2019/2020)
Erwähnenswert sind die Börsengänge von Levi`s und Pinterest aus dem Jahr 2019. In diesem Jahr steht bei Douglas der Gang an die Börse bevor.
Börsengang Levi`s
Die Firma gehört zu den Ikonen, wenn es um Jeans geht. Im März 2019 kehrte das Unternehmen an die Börse zurück. Der erste Kurs betrug damals 22,22 US-Dollar. Damit war das Unternehmen um über 5 US-Dollar pro Aktie mehr wert als bei der Emission. Der Ausgabekurs wurde auf 17 US-Dollar festgelegt.
Für Levi`s ist es der zweite Gang zur Börse. Schon Anfang der 1970er Jahre wollte das Unternehmen sich auf diese Weise mehr Kapital besorgen. In den 1980er Jahren wurde jedoch der Rückzug beschlossen.
Börsengang Pinterest
Pinterest wurde in dem Jahr 2010 als Start-up gegründet. Das Unternehmen versteht sich als soziales Netzwerk, das insbesondere für Grafiker eine Onlinepinnwand zur Verfügung stellt. Das Going Public war für das Unternehmen der 18. April 2019 an der New Yorker Börse. Die Unternehmenslenker entschlossen sich damals dazu, 75 Millionen Wertpapiere in Aktienform auszugeben. Damit erzielte Pinterest einen Erlös von über 1,4 Milliarden US-Dollar. Heute liegt die Gesamtbewertung bei mehr als zehn Milliarden US-Dollar.
Börsengang Douglas
Durch die Übernahme eines Konkurrenten hat Douglas sein betriebliches Ergebnis verbessern können. Der Umsatz des Konzerns stieg in dem Geschäftsjahr 2018/2019 auf insgesamt 3.5 Milliarden EUR an. Der Handel in der digitalen Welt brachte dem Unternehmen ein Plus von knapp unter vierzig Prozent. Dies sind gute Voraussetzungen, um an der Börse nach zusätzlichen Kapitalgebern zu suchen. Das IPO war schon im Jahr 2015 geplant. Damals scheiterte der Gang an die Börse, weil das Unternehmen an einen Großinvestor verkauft wurde. Von der Entscheidung dieses Großinvestors hängt es ab, ob Douglas in diesem Jahr zu den börsennotierten Unternehmen gehört.
Zusammenfassung
- Entschließt ein Unternehmen sich zum Gang an eine Börse, tritt es zum ersten Mal auf einem freien Kapitalmarkt auf.
- Das Unternehmen muss die Voraussetzungen für die Börsennotierung erfüllen. Dies bedeutet in erster Linie, dass das Unternehmen in der richtigen Rechtsform firmiert.
- An einer Börse können nur die folgenden Gesellschaftsformen firmieren: Aktiengesellschaft, Europäische Gesellschaft (SE) und Kommanditgesellschaft auf Aktien.
- Zur Kapitalbeschaffung muss eine Gesellschaft nicht zwingend an einer Börse notiert sein. Eine GmbH kann seine Eigenfinanzierung z.B. im Rahmen einer Beteiligungsfinanzierung stärken.
- Für einen erfolgreichen Börsengang müssen verschiedene Phasen durchlaufen werden. Der Analyse über die Börsenreife folgt die Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft. Hierbei müssen die Unternehmensinhaber die handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Voraussetzungen der Umwandlung beachten.
- Für die neue Aktiengesellschaft muss ein Vorstand gewählt werden. Außerdem muss das Grundkapital auf 50.000 EUR aufgestockt werden. Innerhalb einer vorgegebenen Zeichnungsfrist können die Aktionäre ihre Angebote abgeben. Hierbei haben sie die Dividende im Blick, die sie mit der Aktienankauf erzielen können.
- Nach der Due Diligence Prüfung und der Festlegung des Ausgabekurses zeichnet das Unternehmen seine Aktien.
- Nach dem erfolgreichen Gang an die Börse muss das Unternehmen die ausgegebenen Aktien pflegen und darauf achten, dass der Kurs nicht unter den Emissionswert absinkt.
- Der Gang an die Börse ist für das Unternehmen mit Vor- und Nachteilen verbunden. Zu den wichtigsten Vorteilen zählt das Kapital, das die Anteilseigner der AG zur Verfügung stellen. Ein gewichtiger Nachteil ist darin zu sehen, dass Vorstand und Geschäftsführer nicht mehr Herr im eigenen Haus sind. Jede weittragende Entscheidung muss von den Aktionären auf einer Hauptversammlung abgesegnet werden.
- Zu den bekanntesten Börsengängen gehörten in den letzten beiden Jahren Levi`s, Pinterest und Douglas.