Definition: Verlustvortrag

Steuern werden aufgrund einer bestimmten Bemessungsgrundlage festgesetzt. Bei den Ertragssteuern (Lohnsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) gilt als Bemessungsgrundlage das Einkommen, das ein Arbeitnehmer oder ein Unternehmen erzielt. Zur Ermittlung dieses Einkommens werden alle relevanten Ausgaben von den steuerpflichtigen Einnahmen abgezogen. Übersteigen die Einnahmen die Ausgaben, ergibt sich ein Gewinn, auf dessen Basis das zu versteuernde Einkommen ermittelt wird. Liegen die Ausgaben über den Einnahmen, wurde ein Verlust erwirtschaftet. Ein erzielter Verlust fällt nicht unter den Tisch. Er kann steuerlich berücksichtigt werden, das ist der so genannte Verlustvortrag.

Für die steuerliche Berücksichtigung eines Verlustes gibt es mehrere Möglichkeiten. Übersteigen die Ausgaben z.B. bei einer Vermietung die Einnahmen, kann der entstandene Verlust mit den Einkünften, die aus einer nichtselbständigen Tätigkeit erzielt wurden, in demselben Kalenderjahr verrechnet werden. Dies wird steuerlich als zeitgleiche Verrechnung bezeichnet.

Hatte ein Steuerpflichtiger in einem Kalenderjahr nur eine Einkunftsart, ist eine zeitgleiche Verrechnung nicht möglich. In diesen Fällen bietet das Ertragssteuerrecht die Möglichkeit, den Verlust in ein zurückliegendes Kalenderjahr zurückzutragen oder einen Verlustvortrag nach EStG in ein späteres Kalenderjahr vorzunehmen.

Die rechtliche Grundlage hat der Gesetzgeber mit § 10d EStG geschaffen. Unabhängig davon, ob ein Verlustrücktrag vorgenommen oder der Verlust in ein späteres Jahr vorgetragen wird, gilt das Folgende: Negative Einkünfte dürfen bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen werden, wenn der Verlust die Grenze von 1 Millionen Euro nicht übersteigt. Werden Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt, erhöht sich die Verlustabzugsbeschränkung auf 2 Millionen Euro.

Werden die Grenzen zur Verlustabzugsbeschränkung überstiegen, ist die steuerliche Berücksichtigung eines Verlustes ausgeschlossen.

Der Verlustvortrag – handelsrechtlich und steuerrechtlich

Handelsrechtlich findet der Vortrag eines Verlustes im § 266 Absatz 3 HGB (Handelsgesetzbuch) seine gesetzliche Bestimmung. In dem Gliederungsschema der Bilanz ist nach dieser Vorschrift der Ausweis eines Verlustvortrages vorgesehen. Die positiven Elemente des Eigenkapitals (z.B. Gewinnrücklagen, Gewinnvortrag, Jahresüberschuss) dürfen mit den negativen Teilen des Eigenkapitals (Jahresfehlbetrag, Verlustvortrag, Bilanzverlust) verrechnet werden. Kann ein Jahresfehlbetrag z.B. nicht durch eine Gewinnrücklage oder Gewinnvortrag kompensiert werden, bleibt der Verlust als Vortrag stehen. Bei diesem sind die Vorschriften zum Verlustabzug anzuwenden. Dies bedeutet, dass der Verlust entweder zurückgetragen oder vorgetragen wird.

Handelsrechtlich ist der Verlustabzug auf Kapitalgesellschaften beschränkt. Erwirtschaftet eine Personengesellschaft (z.B. eine Kommanditgesellschaft oder eine offene Handelsgesellschaft) einen Verlust, schreibt das Handelsgesetzbuch in § 264c HGB vor, dass dieser mit den Kapitalkonten der einzelnen Gesellschafter zu verrechnen ist.

Steuerrechtlich wird nicht von einem Verlust gesprochen. Übersteigen die Ausgaben eines Unternehmens deren Einnahmen, werden diese im Steuerrecht als negative Einkünfte bezeichnet. Erkennt die Finanzbehörde diese negativen Einkünfte an, führt dies dazu, dass der Staat weniger Steuern einnimmt. Aus diesem Grund wurden im Steuerrecht Verrechnungsverbote und Verlustabzugsbeschränkungen eingeführt. Für einen Steuerpflichtigen bedeutet dies, dass auch der Vortrag eines Verlustes nicht in unbegrenzter Höhe möglich ist.

Verlustvortrag bei Privatpersonen

Die Regelungen zum Verlustabzug sind nicht auf Unternehmen beschränkt. Erzielt eine Privatperson steuerpflichtige Einnahmen – z.B. aus der Vermietung einer Wohnung – ist ein Verlustvortrag trotz Einkommen möglich, wenn die Ausgaben für Reparaturen, Instandhaltungen, Strom und Wasser die Mieteinnahmen übersteigen. Kann dieser Verlust nicht innerhalb des Kalenderjahres mit den positiven Einkünften aus einer anderen Einkunftsart verrechnet werden, kann der Verlust auch zurück- oder vorgetragen werden.

Die Regelungen sind auch anwendbar, wenn ein Verlustvortrag im Studium geltend gemacht werden soll. Mit seinem Urteil vom 13. Januar 2015 (Aktenzeichen IX R 22/14) hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Position von Studierenden gestärkt. Hiernach kann ein Verlustvortrag rückwirkend bis zu sieben Jahren geltend gemacht werden.

Beispiel:

Während des ersten Jahres seines Studiums hat ein Student einen Nebenjob ausgeübt. Da die Ausgaben die Einnahmen überstiegen, hat der Student einen Verlust von 3.000 Euro erwirtschaftet. Nach seinem fünfjährigen Studium nimmt der Student eine Stellung an. Im ersten Jahr belaufen sich seine Einnahmen auf 36.000 Euro. Nach dem Urteil des BFH kann der Verlust aus den früheren Jahren in das aktuelle Jahr vorgetragen werden.

Ein Verlust kann auch bei dem Steuerpflichtigen entstehen, der ein privates Veräußerungsgeschäft tätigt. Die Voraussetzungen für ein privates Veräußerungsgeschäft sind im § 23 EStG gesetzlich definiert.

Ein privates Veräußerungsgeschäft liegt z.B. vor, wenn ein Aktionär ein Aktienpaket erwirbt und innerhalb eines Jahres wieder verkauft. Der Gewinn aus diesem privaten Veräußerungsgeschäft ermittelt sich durch Gegenüberstellung des Verkaufspreises und der Kosten, die der Aktionär bei der Anschaffung der Aktien aufgewendet hat. Entsteht hierbei ein Gewinn, muss dieser in der Einkommensteuererklärung angegeben werden. Übersteigen die Anschaffungskosten den Verkaufspreis, ergibt sich ein Verlust. Auch dieser wird steuerlich berücksichtigt.

Anders als z.B. ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung darf dieser Verlust aber nur mir Gewinnen aus derselben Einkunftsart verrechnet werden. Hat der Aktionär keinen Gewinn aus dem Verkauf eines anderen Aktienpaktes erzielt, muss der Verlust zurückgetragen oder vorgetragen werden. Dabei ist auch die Verlustabzugsbeschränkung des § 10 d EStG zu beachten.

Verlustvortrag bei einer GmbH

Weist die Bilanz einer GmbH einen Jahresfehlbetrag aus, hat sie einen Verlust erzielt. Führt dieser Jahresfehlbetrag zu einem negativen Einkommen in der Körperschaftsteuer und zu einem negativen Gewerbeertrag in der Gewerbesteuer, kann er steuerlich als Verlustrücktrag oder als Verlustvortrag berücksichtigt werden. Für den steuerlichen Verlustabzug muss die Geschäftsführung der GmbH das Folgende beachten:

Ein Verlustabzug ist nur auf Ebene der Gesellschaft möglich

Die entstandenen Verluste können nur dort geltend gemacht werden, wo sie entstanden sind. Der Verlust einer GmbH kann deshalb nicht in der privaten Einkommensteuererklärung eines Anteilseigners an der GmbH berücksichtigt werden. Der Verlustabzug einer GmbH wird bei der Körperschaftsteuererklärung berücksichtigt.

Ein bilanzieller Jahresfehlbetrag ist für den Verlustabzug nicht allein entscheidend

Weist die Bilanz am Ende eines Geschäftsjahres einen Jahresfehlbetrag aus, führt dies nicht zwangsläufig zu einem Verlustabzug, der steuerlich berücksichtigt werden kann. Maßgeblich ist ein negatives Einkommen bzw. ein negativer Gewerbeertrag. Dieser ergibt sich durch gesetzlich vorgeschriebene Hinzurechnungen und Kürzungen außerhalb der Bilanz.

Ein Gesellschafterwechsel kann den Verlustabzug gefährden

Scheidet ein Gesellschafter aus einer GmbH aus und tritt an seine Stelle ein anderer Anteilseigner, findet ein Gesellschafterwechsel statt. Bei einem Gesellschafterwechsel kann der Verlustabzug gefährdet sein. Dies ist dann der Fall, wenn innerhalb von 5 Jahren mehr als 25% der Anteile oder Stimmrechte auf neue Gesellschafter übergehen. Problematisch wird dies z.B., wenn eine GmbH-Beteiligung von mehr als 25% im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von dem Vater auf den Sohn übergeht.

Ein Verlustrücktrag wird automatisch durch geführt

Im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung überträgt die Finanzbehörde einen Verlustabzug automatisch in ein zurückliegendes Geschäftsjahr. Bei der Gewerbesteuer ist kein Verlustrücktrag möglich. Der Verlustrücktrag führt für die GmbH zu einer Körperschaftsteuererstattung.

Die Finanzbehörde kann den Verlustrücktrag ablehnen

Ein Verlustrücktrag ist auch bei einer GmbH nicht möglich, wenn der Verlust mehr als 1 Millionen Euro beträgt. Davon unabhängig steht es im Ermessen der Finanzbehörde, einen Verlustrücktrag durchzuführen. Lehnt das Finanzamt den Rücktrag eines steuerlichen Verlustes ab, besteht die Möglichkeit, den Verlust in ein späteres Geschäftsjahr vorzutragen.

Ein Verlustvortrag ist beschränkt

Verluste aus früheren Jahren kann eine GmbH mit Gewinnen aus späteren Jahren verrechnen. Bei einem Verlust bis zu 1 Millionen Euro ist der Vortrag problemlos möglich. Hat die GmbH einen Verlust erzielt, der über 1 Millionen Euro liegt, können nur noch 60% des verbleibenden Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen werden.

Verlustvortrag Beispiel bei einer GmbH

Die Y-GmbH erzielte in dem Geschäftsjahr 2018 ein negatives Einkommen von 3 Millionen Euro. Das Finanzamt lehnte den Verlustrücktrag in das Jahr 2017 ab. Das Geschäftsjahr 2019 steht kurz vor dem Ende. Der Geschäftsführer der GmbH rechnet mit einem positiven Ergebnis. Die positiven Einkünfte betragen voraussichtlich 4 Millionen Euro. Der Verlust aus dem Jahr 2018 kann wie folgt vorgetragen werden:

  • Uneingeschränkt können nach 2019 vorgetragen werden: 1 Millionen Euro
  • Verbleibende Einkünfte in 2019: 3 Millionen Euro
  • davon sind 60% abzugsfähig: 1,8 Millionen Euro
  • Insgesamt in 2019 abzugsfähig sind: 2,8 Millionen Euro

Hieraus resultiert, dass ein Verlust von 200.000 Euro steuerlich nicht berücksichtigt werden kann.

Wie wird der Vortrag von Verlusten buchhalterisch behandelt?

Der Verlustvortrag von 2,8 Millionen Euro wird im Geschäftsjahr 2019 buchhalterisch wie folgt erfasst:

Verlustvortrag vor Verwendung 2,8 Millionen Euro an Saldenvorträge Sachkonten 2,8 Millionen Euro

Zusammenfassung

  • Übersteigen die Ausgaben einer steuerpflichtigen Person oder eines Unternehmens die Einnahmen, ergibt sich ein Verlust.
  • Der Verlust kann nach den steuerlichen Vorschriften zum Verlustabzug (§ 10d EStG) berücksichtigt werden.
  • Der Verlust einer Einkunftsart wird mit dem Gewinn einer anderen Einkunftsart in demselben Kalenderjahr verrechnet. Ist dies nicht möglich, kann ein Verlust zurückgetragen oder vorgetragen werden. Dabei muss die Verlustabzugsbeschränkung von 1 Millionen Euro (bei zusammenveranlagten Ehegatten: 2 Millionen Euro) beachtet werden.
  • Ein Verlustvortrag trotz Einkommens ist bei Privatpersonen möglich, wenn die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Hierbei ist ein Urteil des BFH aus dem Jahr 2015 zu beachten, wonach ein Vortrag von Verlusten rückwirkend bis zu 7 Jahren geltend gemacht werden kann.
  • Ein Verlust entsteht auch, wenn eine steuerpflichtige Person ein privates Veräußerungsgeschäft tätigt. Die Voraussetzungen liegen vor, wenn ein Aktionär innerhalb eines Jahres Aktien verkauft und der Verkaufspreis unter den Anschaffungskosten lag.
  • Eine zeitgleiche Verlustverrechnung ist bei einem Verlust aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nicht möglich. Der Verlust muss entweder zurück- oder vorgetragen werden. Ein Ausgleich kann nur mit dem Gewinn aus einem anderen Aktienverkauf vorgenommen werden.
  • Wird ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH oder einer anderen Kapitalgesellschaft geführt, müssen bei einem Verlustabzug bestimmte Regelungen beachtet werden.
  • Ein Verlustabzug kann nur von der GmbH geltend gemacht werden. Für den Anteilseigner besteht keine Möglichkeit, den Verlust aus der Beteiligung mit anderen positiven Einkünften zu verrechnen.
  • Ein Verlustabzug kann in ein zurückliegendes Geschäftsjahr zurückgetragen oder in eine spätere Bilanz vorgetragen werden. In beiden Fällen sind die Möglichkeiten zum Verlustabzug in der Höhe beschränkt.
  • Das Finanzamt ist zudem berechtigt, einen Verlustrücktrag abzulehnen.
  • Buchhalterisch wird ein Verlust mit einer Buchung in das nächste Jahr vorgetragen.