Inhalt von Unfertige Erzeugnisse
Definition: Unfertige Erzeugnisse
Als unfertige Erzeugnisse werden in der Betriebswirtschaft Güter bezeichnet, die sich in einem Übergangszustand innerhalb des Produktionsvorgangs befinden. Diese haben bereits einzelne Produktionsschritte durchlaufen, jedoch handelt es sich noch nicht um verkaufsfertige Produkte. Ein Erzeugnis gilt als unfertig, wenn
- bereits Arbeit daran erfolgt und
- kein Weiterverkauf im aktuellen Zustand vorgesehen ist.
Dabei spielt es keine Rolle, ob ein unfertiges Erzeugnis im eigenen Hause hergestellt oder zugekauft wurde. Solange weitere Produktionsschritte folgen müssen, bevor ein aus Unternehmenssicht verkaufsfertiges Produkt entsteht, gilt ein Erzeugnis als unfertig. Unterschiede bestehen lediglich bei der Bilanzierung als Teil des Umlaufvermögens. So müsste ein von einem externen Lieferanten zugekauftes unfertiges Gut mit dem Einkaufswert angerechnet werden, während selbst hergestellte unfertige Erzeugnisse nach einer speziellen Formel bilanziert werden, die weitere Faktoren wie den Produktionsstand und die Herstellungskosten berücksichtigt.
Beispiel: Zugekaufte und selbst produzierte unfertige Erzeugnisse
Ein Textilunternehmen, die Muster Textil GmbH, kauft Stoff von einem externen Zulieferer und stellt daraus Bettwäsche und Haushaltstextilien her. Somit handelt es sich bei dem eingekauften Stoff zwar aus Sicht des Unternehmens um ein unfertiges Erzeugnis, jedoch muss bei der Bilanzierung mit dem Einkaufswert gerechnet werden. Wurden die Stoffbahnen hingegen bereits von der Muster GmbH selbst zurechtgeschnitten, erfolgt die Bilanzierung der bearbeiteten Teile als unfertiges Erzeugnis unter Berücksichtigung des Einkaufswerts und der involvierten Arbeitsleistung bis zum Bilanzstichtag. Ähnlich sähe es aus, wenn stattdessen Rohstoffe eingekauft und selbst erst zu Stoff und dann zu fertigen Erzeugnissen verarbeitet würden. In diesem Fall wäre der aktuelle Fortschritt der Produktion entscheidend für die Bilanzierung.
Abgrenzung zu Halbfabrikaten
Teils werden, besonders in Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen, die Bezeichnungen “unfertiges Erzeugnis” und “Halbfabrikat” synonym verwendet. Durch die starke Überlappung der Definitionen der beiden Begriffe erscheint dies angebracht, allerdings ist es technisch betrachtet falsch. So ist zwar in beiden Fällen von einem Gut die Rede, das durch weitere Produktionsschritte veredelt werden soll, ein unfertiges Erzeugnis ist jedoch nicht zum Weiterverkauf im Ist-Zustand vorgesehen. Somit sind unfertige Erzeugnisse Teil der Halbfabrikate, während der Begriff der Halbfabrikate auch Güter umfasst, die als bearbeitete Materialien an andere Unternehmen oder Endverbraucher verkauft und von diesen fertiggestellt werden. Entsprechend werden solche Halbfabrikate als fertige Erzeugnisse behandelt. Analog dazu werden eingekaufte Halbfabrikate im Rahmen der Bilanzierung genauso behandelt wie Rohmaterialien.
Beispiel: Halbfabrikate als fertige und unfertige Erzeugnisse
Die Beispiel Textilien AG, ein Konkurrent der Muster GmbH, verkauft in ihrem Werksverkauf neben fertigen Textilprodukten auch zugeschnittene Stoffbahnen an Nähbegeisterte. In diesem Fall wären zwar in beiden Unternehmen die Stoffbahnen als Halbfabrikat vorhanden, jedoch tritt dieses bei der Beispiel AG gleichzeitig als fertiges und unfertiges Erzeugnis in Erscheinung. Für die Menge an Halbfabrikaten, die für den Weiterverkauf als fertige Erzeugnisse vorgesehen sind, fließt in diesem Fall der Marktwert in die Unternehmensbilanz ein.
Bilanzierung
Da der Wert unfertiger Erzeugnisse sich aus deren Fertigstellung und späterem Verkauf ergibt, werden sie als Umlaufvermögen bilanziert. Jedoch besitzen sie bis zur Fertigstellung keinen Marktwert per se und können daher aufgrund des strengen Niederstwertprinzips nicht als fertige Erzeugnisse abgerechnet werden. Ebenso können sie nicht wie Rohmaterialien behandelt werden, weil über den Einkaufswert hinaus bereits Arbeit in ihre Produktion geflossen ist. Somit muss die Bilanzierung unfertiger Erzeugnisse auf Grundlage ihrer Herstellungskosten erfolgen. Diese setzen sich zusammen aus
- Materialkosten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe,
- Lohn- und Gehaltskosten für an der Produktion Beteiligte,
- Lager- und Verwaltungskosten,
- Abschreibungen am Anlagevermögen, wie sie durch den sinkenden Zeitwert von Anlagen entstehen, und
- Zinsen auf Fremdkapital.
Anhand dieser Einflussfaktoren lässt sich ein Richtwert für die Herstellungskosten eines Stücks des fertigen Erzeugnisses ermitteln. Aus der bisherigen Betriebserfahrung sollte zudem bekannt sein, welche Produktionsschritte den größten Teil der Herstellungskosten ausmachen. Dies bildet die Basis für eine prozentuale Metrik des Produktionsfortschritts, die in die Berechnung des Bilanzwerts unfertiger Erzeugnisse einfließt. Somit ergibt sich für den Wert eines unfertigen Erzeugnisses folgende Formel:
Bilanzwert (€) = Herstellungskosten (€) * Produktionsfortschritt (%)
Sonderfall: Anwendung des strengen Niederstwertprinzips
Der Gesetzgeber schreibt im Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG) zudem vor, dass für den Wert sämtlicher Aktivposten mit dem niedrigsten anwendbaren Wert gerechnet werden muss. Liegen zum Bilanzstichtag die Herstellungskosten eines fertigen Erzeugnisses über dessen Marktwert, muss daher stattdessen der Marktpreis des Erzeugnisses als Grundlage für die Bilanzierung dienen.
Rechenbeispiel zur Bilanzierung
Die Muster Textil GmbH vertreibt Bettwäsche ausschließlich als vollständige, einzeln verpackte Garnituren. Die Herstellungskosten belaufen sich dabei auf 10,50 € pro Garnitur bestehend aus Kopfkissen- und Bettbezug. Erfahrungsgemäß entfällt der größte Teil des Herstellungsaufwands auf das Vernähen des Reißverschlusses. Deshalb gelten zugeschnittene Stoffbahnen als 40 % fertiggestellt, während vernähte Bett- und Kopfkissenbezüge zu 60 % fertig sind. Kopfkissen- und Bettbezüge mit Reißverschluss, die nur noch verpackt werden müssen, werden zu 90 % als fertiggestellt betrachtet. Bei der Inventur werden folgende Bestände für die einzelnen Lagerposten festgestellt:
- (1) zugeschnittene Stoffbahnen: 1200
- (2) vernähte Bett- und Kopfkissenbezüge: 500
- (3) Kopfkissen- und Bettbezüge mit Reißverschluss: 740
Anhand der vorgestellten Formel lässt sich der Bilanzwert der unfertigen Erzeugnisse berechnen:
(1) 1200 * 40 % * 10,50 € = 5040 €
(2) 500 * 60 % * 10,50 € = 3150 €
(3) 740 * 90 % * 10,50 € = 6993 €
Somit ergibt sich für die unfertigen Erzeugnisse des Produkts Bettwäsche ein Gesamtwert von 5040 € + 3150 € + 6993 € = 15183 €.
Zusammenfassung
- Unfertige Erzeugnisse sind Güter, die bereits einen Teil des Produktionsvorgangs durchlaufen haben, in der aktuellen Form aus Sicht des Unternehmens jedoch nicht verkaufsfertig sind.
- Sie sind Teil der Halbfabrikate, lassen sich jedoch innerhalb dieser dadurch abgrenzen, dass im aktuellen Zustand keine Verkaufsabsicht besteht.
- Solange bislang keine eigene Arbeit eingeflossen ist, erfolgt die Bilanzierung eingekaufter Halbfabrikate wie bei Rohmaterialien anhand des Einkaufspreises.
- Verkaufsfertige Halbfabrikate werden wie fertige Erzeugnisse bilanziert. Entsprechend ist es möglich, dass dasselbe Halbfabrikat sowohl als fertiges als auch als unfertiges Erzeugnis vorliegt, wenn Teile der Produktion als Halbfabrikate verkauft werden sollen.
- Bei der Bilanzierung unfertiger Erzeugnisse spielen die Herstellungskosten und der Produktionsfortschritt eine tragende Rolle.
- Die Herstellungskosten eines Erzeugnisses ergeben sich primär aus Material-, Personal-, Lager- und Verwaltungskosten.
- Der Produktionsfortschritt eines unfertigen Erzeugnisses wird aus dem Anteil des bereits erfolgten Herstellungsaufwands am Gesamtprozess ermittelt.
- Sind die Herstellungskosten höher als der Marktpreis eines Erzeugnisses, schreibt das strenge Niederstwertprinzip vor, mit dem niedrigeren Wert zu rechnen.